Revelstoke – Beinahe schwerelos tänzelt der Skifahrer in Revelstoke den Hang hinunter. Fast bis zur Hüfte taucht er ein, um sich dann wieder aus dem aufstäubenden Schnee herauszukatapultieren.
Wie auf einer unsichtbaren Wellenbahn gleiten seine Ski rhythmisch durch den Pulverschnee vor der majestätischen Kulisse der Selkirk Mountains. Solche Abfahrten machen süchtig nach Powder.
Die aus Nordamerika stammende Bezeichnung für besonders trockenen Schnee hat sich längst auch in der hiesigen Ski- und Snowboardszene eingebürgert. Tiefschneefahrer gehen zum Powdern und bezeichnen sich selbst als Freerider. Da schwingt schon das Gefühl von Freiheit mit, das sie empfinden, wenn ihr Körper beim Wedeln durch unberührten Schnee fernab der Skipisten von Glückshormonen geflutet wird.
Powder entsteht bei üppigem Schneefall, trockener Luft und Kälte. Bedingungen, mit denen Westkanada Tiefschnee-Junkies lockt.
Sehnsuchtsziele für Skifahrer und Snowboarder
«Die Provinzen Alberta und
British Columbia sind für Skifahrer und Snowboarder wahre Sehnsuchtsziele», erzählt Norman Kreutz. Das gelte gerade für Deutsche. Der Skischuldirektor des Silverstar Resorts in British Columbia weiß, wovon er spricht: Die Familie des langjährigen Chefausbilders des kanadischen Skilehrerverbands kommt aus Köln.
Doch es sind nicht allein der pulvrige Schnee und die jährlichen Schneefallmengen von durchschnittlich acht bis zwölf Meter, warum europäische Wintersportler nach Kanada fahren. «Es sind die unendlich vielen Möglichkeiten zum Fahren im unpräparierten Gelände», erklärt Kreutz.
In nordamerikanischen Skigebieten muss man nicht auf den Pisten bleiben. Das gesamte Areal ist freigegeben – und wird von der Ski Patrol auf Lawinen oder andere Gefahren hin überwacht. Außerdem wird nach nächtlichen Schneefällen ein Teil der Pisten nicht präpariert. Das ermöglicht Tiefschneefahrten im gesicherten Gelände.
Naturslalom abseits der Piste
In Silver Star sind die zahlreichen Waldabfahrten ein Eldorado für Könner. «Tree Skiing» nennen die Nordamerikaner das Skifahren durch die Wälder, die viel lichter sind als in Europa. Die Baumriesen haben im unteren Viertel ihrer Stämme meist keine Äste, sodass zwischen den weit auseinander stehenden Bäumen viel Platz bleibt. «Das ist perfekt für unseren Naturslalom», erzählt Kreutz.
Besonders schöne Wald- und Geländeabfahrten gibt es in den Skigebieten von Lake Louise und Sunshine Village in der Provinz Alberta. Die berühmten Skiresorts im Banff-Nationalpark liegen im Herzen der Rocky Mountains.
Westlich des Hauptkamms schließen sich die in der Tiefschneeszene legendären Gebiete des sogenannten «Powder Highways» an. Von Fernie führt dieser im Südwesten bis Whitewater und Red Mountain, wo mit Big Red Cats der größte Catskiing-Anbieter der Welt beheimatet ist, und nach Nordwesten über Panorama und Kicking Horse bis Revelstoke.
Die Heimat des Heliskiing und Catskiing
Revelstoke das Städtchen am Columbia River, bietet unendliche Freeride-Möglichkeiten im Skigebiet und rundherum in den Bergketten Selkirk und Monashees. Häufig viele Kilometer von der nächsten Stadt entfernt, verstecken sich dort Lodges für Heli- und Catskiing.
Beides wurde in British Columbia erfunden. Beim Heliskiing werden Wintersportler mit Hubschraubern auf Gipfel geflogen, von denen sie – meist angeführt von einem Skibergführer und ausgerüstet mit einer in Lawinenschutzausrüstung – über unberührte Hänge ins Tal gleiten. Beim Catskiing übernimmt eine in Nordamerika «Cat» genannte Pistenraupe den Transport hinauf auf den Berg.
Bis heute ist der Westen Kanadas der Hotspot und Revelstoke die Hauptstadt des Heliskiings. Heliskiing-Erfinder und -Marktführer
Canadian Mountain Heliskiing (CMH) betreibt in und rund um Revelstoke gleich fünf Lodges. Platzhirsch
Selkirk Tangiers Heliskiing startet direkt vom Ortsrand aus. Das mittlerweile zum Skigebiet
Revelstoke Mountain Resort zählende Unternehmen bietet ebenso wie Purcell in Golden oder RK in Panorama auch Ein- oder Zweitages-Pakete an.
«Das sogenannte Daily Heliskiing ist ideal für alle, die sich vorsichtig herantasten wollen», erklärt Andrew McNab, Guide bei Selkirk Tangiers. Denn viele Europäer hätten großen Respekt vor dem Skifahren in der Wildnis. Schließlich seien die meisten zu Hause ja überwiegend auf präparierten Hängen unterwegs. McNab meint aber: «Wer dort schwarze Pisten souverän meistert und körperlich fit ist, muss sich keine Sorgen machen.»
Dennoch sollte man sich mit Kraft- und Ausdauertraining sowie skitechnisch vorbereiten. «Viele Skischulen bieten dazu spezielle Tiefschneecamps oder Einzelunterricht und auch Safety-Kurse an», wie Thomas Braun vom Deutschen Skiverband (DSV) berichtet.
Heliskiing hat seinen Preis
Heliskiing ermöglicht Tiefschneeerlebnisse, die sonst allenfalls sehr konditionsstarken Tourengehern vergönnt sind. Während die aber meist nur auf eine Traumabfahrt pro Tag kommen, sind es beim Freeriden mit Helikopter zehn bis fünfzehn. Das hat allerdings seinen Preis: Ein Tag Heliskiing kostet rund 800 Euro, eine ganze Woche mindestens 6000 Euro – Catskiing rund die Hälfte.
Auch für die Natur hat das exklusive Skivergnügen seinen Preis, monieren Umweltschützer. Sie beklagen den CO2-Ausstoß durch die Anreise mit dem Flugzeug und die Hubschrauber sowie die Belastung für die Natur. Wobei die Kritik in Europa lauter ist als in Kanada. Dort haben Umweltverbände eher die Öl-, Gas- und Holzindustrie im Visier.
Tiefschneefahren in Westkanada
Anreise und Formalitäten: Die meisten Flüge nach Calgary und Vancouver bietet Air Canada. Von dort geht es mit Shuttle-Bussen oder Mietwagen weiter. Bürger aus den EU-Staaten benötigen zur Einreise nach Kanada die elektronische Einreisegenehmigung eTA. Diese muss vor der Reise im Reisebüro oder online beantragt werden.
Währung: Ein Euro entspricht 1,46 Kanadische Dollar.
Informationen: www.travelalberta.com, www.hellobc.de
Fotocredits: Danny Stoffel,Bruce Rowles,Bernhard Krieger,Paul Morrison,Danny Stoffel,Jamie Walter,Bernhard Krieger,Bernhard Krieger,DSV,Mike Seehagel,Bernhard Krieger,Northern Escape Heli-Skiing
(dpa/tmn)