Abu Simbel ist ein Meisterwerk – in zweifacher Hinsicht. Erbaut im Dreizehnten Jahrhundert vor Christus für Ramses II sollte der Felsentempel mit seinen vier kolossalen Statuen des Pharaos die Macht Ägyptens symbolisieren. In den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde er dann in einem Glanzakt von einem internationalen Team von Archäologen und Ingenieuren vor den Wassermassen des Nasser-Sees gerettet und um mehrere Hundert Meter versetzt.
Etwa 290 Kilometer südlich von Assuan liegt das Dorf Abu Simbel, in das jeden Morgen Ströme von Touristen einfallen, um den großen Tempel von Ramses II. und den kleineren, seiner Hauptfrau Nefertari gewidmeten Hathor-Tempel zu besichtigen. Um vier Uhr morgens geht die Reise –man kann sie direkt im Hotel oder auf dem Nilkreuzer buchen – in einem Taxi oder Bus los und man hat etwa vier Stunden Zeit, um die vorbeiziehende Wüstenlandschaft zu genießen. Mit etwas Glück erlebt man sogar einen wunderschönen Sonnenaufgang.
In Abu Simbel angekommen hat man wenige Stunden Zeit, in die Welt der alten Ägypter einzutauchen, bevor die Karawane von Touristenbussen wieder zurück nach Assuan zieht. Wer die Tempel ganz für sich haben will, sollte in einem der wenigen Hotels in Abu Simbel ein Zimmer nehmen und von dort aus die Gegend am Nachmittag erkunden.
Der Tempel von Ramses II
Auf den ersten Blick beeindruckt der Tempel allein schon durch seine Größe. Während die eigentlichen Tempelkammern im Inneren eines künstlichen Felsens liegen – er wurde erbaut, als die UNESCO den Tempel in den Sechzigern verlegen ließ – wird er auf der Außenseite von vier zwanzig Meter hohen sitzenden Statuen des Pharaos Ramses II bewacht. Die Statue links neben dem Eingang hat bei einem Erdbeben wortwörtlich den Kopf verloren, der nun zu seinen Füßen liegt. Stellt man sich für ein Foto daneben, werden einem erst richtig die Ausmaße des Tempels bewusst: allein der Kopf Ramses‘ II, bis zur Stirn im Sand versunken, geht einem ausgewachsenen Menschen bis zur Schulter.
Die kolossalen Statuen des Pharaos wurden bei seiner Erbauung direkt aus dem Fels gemeißelt. Sie tragen alle die Doppelkrone, die sich aus der Roten Krone Unterägyptens und der Weißen Krone Oberägyptens zusammensetzt und die absolute Herrschaft über beide Länder symbolisiert. Neben den Beinen Ramses‘ II befinden sich weitere, kniehohe Statuen. Sie stellen Hauptfrau Nefertari dar, die Mutter des Pharaos und seine erstgeborenen Kinder.
Der Aufbau des Tempels im Inneren ähnelt den meisten anderen altägyptischen Tempeln. Von einer großen Eingangshalle gelangt man durch immer kleiner werdende Räume bis zum Heiligtum. Die Eingangshalle wird von acht Statuen geschmückt, die Ramses als den Gott Osiris darstellen. Reliefdarstellungen an den Wänden zeigen Kampfszenen aus dem Leben des Pharaos. Bemerkenswert sind hier – wie in den meisten Bauten, die uns aus der Zeit der Pharaonen erhalten sind – die Decken- und Wandbemalungen, die an den Stellen, wo sie noch nicht von der Sonne verblichen sind, die Pracht der Tempel zur Zeit ihrer Erbauung erahnen lassen.
Im Innersten des Heiligtums erwarten einen vier vor einer schwarzen Wand sitzende Statuen, die den vergöttlichten Pharao Ramses II, und die Götter Re, Amun und Ptah darstellen. Zweimal im Jahr, um den 21. Oktober und den 21. Februar, 61 Tage vor und 61 Tage nach der Wintersonnenwende, erhellen die Strahlen der Sonne alle Statuen bis auf die des Ptah, der als ein Gott der Unterwelt im Dunkeln bleibt.
Der Hathor-Tempel
Neben dem Tempel von Ramses II liegt ein kleinerer Felsentempel, der der Göttin Hathor und Ramses‘ Hauptfrau Nefertari gewidmet ist. Er wird am Eingang von zehn Meter hohen Statuen des Pharaonenpaars geschmückt, wobei bemerkenswert, ja sogar einzigartig ist, dass die Statuen von König und Königin die gleiche Größe haben. Neben ihren Knien befinden sich kleinere Statuen ihrer Nachkommen.
Im Innern gleicht der Aufbau des Hathor-Tempels dem seines größeren Nachbarn. Die Säulen und Wanddekorationen in der Eingangshalle zeigen Bilder von Nefertari beim Musizieren, als Begleiterin ihres Gatten Ramses II oder bei der Opfergabe an Hathor. Die innerste Kammer des Heiligtums ist Hathor gewidmet und zeigt die Göttin der Schönheit, der Liebe und der Mutterschaft als Kuh.